Der kochende Mönch

Es gibt solche und solche Überraschungen, wenn man eine Reise unternimmt und als ich gestern in die Straße einbog, in der meine Unterkunft sein sollte, hatte ich schon so eine Ahnung. Alles sah heruntergekommen und verwahrlost aus. Sicherlich war hier früher ein blühender Ferienort gewesen, aber inzwischen war alles runtergewirtschaftet und zum Teil komplett aufgegeben und verfallen. Ein bisschen wie die Heilstätten in Beelitz, als man noch ohne Führung hineinkam, mutete es an. Das Haus vor meiner Unterkunft….

Als ich mich bemerkbar machte, öffnete mir eine uralte Frau, die kaum noch gehen konnte. Es hatte ein bisschen was gruseliges. Alles war noch irgendwie intakt, aber den Hauch drüber. Hitchcock hätte sich keine bessere Kulisse ausdenken können…

Das Zimmer war erstmal nett und ich war froh, dass ich es ohne Essen gebucht hatte, denn am nächsten Morgen sollte es um 4:30 losgehen. Gut, sie wäre mir jetzt wohl nicht mit dem Auto hinterher gekommen…obwohl? Hier die Geschichte dazu.

Am meisten freute ich mich eigentlich darauf eine heiße Dusche zu nehmen und das eine oder andere Kleidungsstück zu reinigen. Als ich zum Bad ging, wurde mir diese Hoffnung allerdings schnell genommen. Das Wasser werde leider nicht mehr heiß und sie wisse jetzt auch nicht warum. Das Badewannengerät sprach zwar mit ihr, aber der Fehler könne irgendwie nicht behoben werden. Also kalt duschen, bei der Hitze jetzt nicht ganz so dramatisch, aber an Klamotten waschen war nicht zu denken.

Als ich dann in mein Zimmer zurückging, und nach der Erschöpfung der klare Blick zurückkam, beschloß ich nicht eines der Futons oder der Decken zu nutzen. Ich will gar nicht wissen, wann die das letzte Mal gereinigt wurden. Vermutlich betreibt sie die Unterkunft alleine und das ist definitiv zu viel Arbeit für einen. Statt dessen habe ich meinen Seidenschlafsack rausgeholt und auf dem Tatamiboden geschlafen. Nicht die bequemste Nacht, aber sie sollte ja eh nicht so lang werden.

Zwei Tempel standen heute auf dem Programm Nr. 39 & Nr. 40 zum Teil laufend, zum Teil mit dem Bus, denn die Regentage haben mich nicht immer so weit laufen lassen wie ich wollte. Im Schnitt liege ich jetzt bei 23km pro Tag 25km wäre ideal. Heute war einer der Tage, an dem ich mich daran erinnern musste, dass Hitze besser ist als Regen, sonst hätte ich geflucht. Weniger als 2 Liter Wasser in der ersten Tageshälfte geht gar nicht und ich habe dann gerne schattige Plätzchen gesucht um mich der Wasseraufnahme zu widmen, was den netten Nebeneffekt hatte, dass mein Rucksack leichter wurde. Trotzdem, 29 Grad tut nur bedingt was für den Organismus.

Die Strecke die ich in aller Früh gelaufen bin war atemberaubend schön, immer an der Küste entlang, was für die nächste Woche, bis ich in Matsuyama bin und Thomas dazukommt, das letzte Mal gewesen sein wird. Wenn man die Üppigkeit der Wälder sieht und die Formen der Berge, auf denen das Grün der Bäume aussieht wie ein Afro, kann man verstehen, warum Japaner, jedenfalls die meisten, auch bis heute die Natur als göttlich betrachten.

Kennt ihr das, wenn ich an einem Ort ankommt und irgendwie das Gefühl habt: „Hier ist etwas besonders!“?

Tempel 40 ist nun wirklich nicht einer der schönsten oder aufwendigsten Tempel, aber wie bei vielem, ist das Äußere gar nicht so wichtig… Besonders ist auf jeden Fall, dass dieser Tempel derjenige ist, der am Weitesten von Nr. 1 entfernt ist. Und es ist der erste Tempel, bei dem ich etwas vergleichbares gesehen habe

Nach den Regenfällen im letzten Jahr ist der Pass, den ich eigentlich gehen wollte nicht mehr begehbar und die kürzere alternative Route seit letzter Woche auch nicht mehr… Nun, das wirft meine Planung etwas über den Haufen, aber darum kann ich mich später kümmern.

Während ich da stand und mir den Schlamassel ansah, kam einer der Mönche und begann zunächst ein Gespräch auf Englisch mit mir, dass ich aber direkt durch eine japanische Antwort im Keim erstickte. Er stoppte, guckte und sagte: „Nihongo jozu desu ne?“. Ich habe es aufgegeben es schlimm zu finden. Es ist und bleibt überraschend für Japaner und wenn sie auf dem Land wohnen gleich nochmal mehr. Inzwischen gibt es bei denen, die ein Gespräch führen möchten dann den Folgesatz ob man schon lange, oder wo man in Japan lebe. Sorry guys, Fehlanzeige. Ja, mal vor 20 Jahren, aber seitdem benutze ich mein Japanisch nicht mehr so viel, also eigentlich gar nicht und das letzte Mal war ich vor vier oder fünf Jahren in Japan, für ca 3 Wochen.

Und obwohl ich das nun schon so oft in den fast drei Wochen gesagt habe, fiel mir heute zum ersten Mal auf, wie leicht es mir fällt. Ich habe das Gefühl ich verstehe besser, spreche besser und lese besser als vor 20 Jahren, was vollkommen strange ist, denn eigentlich baut das Gehirn Vernetzungen die es nicht nutzt einfach ab.

Wir unterhielten uns also noch ein bisschen über die Schwierigkeit bestimmte Worte von der einen in die andere Sprache zu übersetzen und er bezog wieder seinen Kalligarafie Posten und ich ging zu den Schreinen, um meine Aufwartung zu machen und die Herzsutra zu rezitieren.

Als ich mit meinem “Sammelalbum” zu ihm kam ging unsere Unterhaltung lustig weiter. Fragt mich bitte nicht wie wir auf das Thema Essen und Kochen gekommen sind. Naja, in Japan spricht man eigentlich immer übers Wetter oder das Essen, aber trotzdem, ich habe noch nie einen so redelustigen Mönch erlebt. Wir redeten über yuzu, eine japanische Zitrusfrucht, über Toaster (ja!) und manches mehr.

Schließlich erzählte ich, dass ich bestimmte Dinge in Deutschland nicht bekomme und er ging dann mit mir verschiedene Gemüsesorten durch und als wir einen relativ guten gemeinsamen Nenner gefunden haben, schrieb-zeichnete er mir ein Rezept auf. Er würde das öfter machen, es hält sich im Kühlschrank und ist lecker. Zum Nachkochen empfohlen.😁


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